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GeschichtePresseSuzuki-Gruppe

Sechzig zwischen drei und zwanzig

By 2. September 1989Juli 23rd, 2020No Comments

Großangelegtes Vorspiel von Violinschülern im Odeon – Kooperation Böblingen – Sindelfingen

SINDELFINGEN. Rund um das Thema „Violinspiel“ ging es bei einem „Musizier- und Arbeitswo­chenende für junge Geiger“, wel­ches die Fachbereiche der Mu­sikschulen Böblingen und Sindel­fingen unter ihren jeweiligen Lei­tern Siegfried Pöllmann und Ruth Lesch-Michel veranstalteten. So fanden sich in dieser ersten Co- Produktion der beiden Institute rund 60 Geiger zwischen drei und 20 Jahren ein. Instrumentales Zu­sammenspiel vom Duo bis zum kleinen Orchester stand auf dem Programm; ein Kurs für Streich­quartett mit jungen Erwachsenen rundete das Angebot ab. Für die Eltern der Kinder und „Zaungä­ste“ gab es ein Begleitprogramm, welches Filmvorführungen über große Geiger, aber auch ein Semi­nar über die sogenannte „Alexan­dertechnik“ – wir berichteten – vorsah.

Höhepunkt der Tage aber war, neben einigen sehr gelungenen Vorspielen der Seminarteilneh­mer, ein Solistenkonzert, zu dem die Veranstalter herausragende Nachwuchsgeiger aus der Region einluden. So traten Schüler der be­kannten Pädagogin Prof. Hedwig Pahl aus Stuttgart auf, aus Lauffen kamen Schüler von Gisela Mogal- la-Dietz und auch Brigitte Lang aus Dettenhausen stellte ihre be­gabteste Schülerin vor, die jetzt bei Frau Nagatomi in Stuttgart ausgebildet wird.

Zwei Schüler aus Böblingen eröffneten den Abend: Thomas Eberle und Julian Wagner, beide aus der Klasse von Siegfried Pöll­mann, zeigten, wie weit man bei weniger als zweijähriger Ausbil­dungszeit kommen kann. Mit Sät­zen von Vivaldi bewiesen sie Aus­druckswillen und frühe Persön­lichkeit bei solider Technik – über einige Stolperstellen sah man hier gerne hinweg. Julia von Nieswandt (Pahl) bot mit ihrer Schwester Mi­riam am Flügel das frische Concer­tino der polnischen Komponistin Gracyna Bacewicz.

Bereits hier hatte man es mit der sehr runden Leistung einer enga­gierten Geigerin zu tun, die mit viel Beifall bedacht wurde. Jutta Heidinger (Mogalla-Dietz), beglei­tet von ihrer Schwester Sabine, brachte den Prestosatz der Sonati­ne von Dvorak: auswendiger Vor­trag, Temperament und sehr gute Intonation kennzeichneten diesen Vortrag. Stilistisch ganz ausge­zeichnet musizierte Melina Kim (Pahl) mit Michael Hajek ein Ron­do von Mozart; Maya Koch (Lang) verblüffte die Zuhörer mit Praeludium und Gavotte aus der E-Dur Partita von J. S. Bach, wobei sie stupende Technik, kolossales Ge­dächtnis und erstaunliche Reife der Interpretation zeigte.

Die letzten beiden Geiger jedoch zogen die begeisterten Zuhörer re­gelrecht in Bann: Katrin Adel­mann (Mogalla-Dietz) verstand es, mit den Zigeunerweisen von Sarasate eine große Palette an Klang­farben zu entwickeln. Sie traf den Charakter der Komposition mit großem, warmem Ton, vermied je­doch jeglichen Ansatz zur Über­treibung und war technisch derart sicher, daß man diesen Stücken auch nicht die harte analytische Arbeit anmerken konnte. Ebenso Tina Kim (Pahl) mit dem ersten Satz des d-Moll-Konzertes von Wieniawski. Die sehr persönlich­keitsstarke Geigerin bot vollende­tes Violinspiel: sonorer Ton, sehr differenziertes Vibrato und große Souveränität in den technischen Mitteln.

Sehr klangschön und transpa­rent assistierte hier die Böblinger Pianistin Marie-Louise Eberle- Fischli am Flügel. Die Meinung nach dem Konzert war ungeteilt. So etwas muß wiederholt werden. Geigenkinder und ihre Eltern wer­den nachhaltig motiviert und den jungen Künstlern wird Gelegen­heit gegeben, ihre Stücke vor Pu­blikum auszuprobieren, ihr Kön­nen unter Beweis zu stellen.

MICHAEL KÖPPE, SZ/BZ 2. September 1989