Die Geigerin Nina Boesen und der Pianist Peter Winhardt im Württembergsaal
BÖBLINGEN. Kammermusik auf höchstem technischen, wie musikalischen Niveau boten die Geigerin Nina Boesen und ihr Partner am Flügel, Peter Winhardt, bei ihrem Duoabend im Württemberg- saal der Kongreßhalle. Der Förderverein „Junge Geiger Böblingen e. V.“ hatte zu diesem Konzert geladen und es war sicherlich der „harte Kern“ der Musikliebhaber Böblingens, der hier versammelt war. Immerhin hatten sich etwa sechzig Besucher eingefunden, eine Zahl, die man für Böblinger Verhältnisse schon als erfreulich ansehen muß, haben doch Konzerte solcher Art in Böblingen keine Tradition und somit kein Stammpublikum. Was den „Förderverein Junge Geiger“ betrifft, so sieht er seine Hauptaufgabe in der Unterstützung des Unterrichts auf Streichinstrumenten an der hiesigen Musik- und Kunstschule. Konzertveranstaltungen ergänzen lediglich das pädagogische Konzept.
Für das zunehmend hellauf begeisterte Publikum wurde rasch deutlich, daß es zwei hervorragende Musiker vor sich hatte, die sich im Verlauf des vielseitigen Programmes enorm zu steigern wußten. Man begann mit Ludwig van Beethovens gewichtiger G-Dur Sonate op. 96, dem letzten Werk eines großen Zyklus von zehn Sonaten für die Besetzung Klavier und Violine.
Gleich hier verstanden es Nina Boesen und Peter Winhardt ohne Anfangsnervositäten eine in sich geschlossene Interpretation zu bieten: technisch makellos und sehr subtil in Aspekten der Dynamik und Klangfarben. Souverän und leidenschaftlich bei teils atemberaubenden Tempi folgte die d-Moll Sonate op. 108 von Johannes Brahms: ein beeindruckender Vortrag, der Vergleiche mit großen Vertretern des Faches, auch aut Plattenaufnahmen, nicht zu scheuen brauchte.
Nach der Pause Friedrich Smetanas Stücke „Aus der Heimat“. Beim ersten Hören boten diese Stücke nicht viel Neues, zeigten aber erneut die große Gestaltungskraft des Duos. Schnell wandte man sich der „Carmenfantasie“ zu, einer Komposition von Pablo de Sarasate nach Themen der gleichnamigen Oper von Bizet. Für Geiger bildet dieses Stück eine Art „Drahtseilakt“. Es ist gespickt mit allen technischen Anforderungen und Finessen, die man der Violine zu entlocken vermag und Nina Boesen vermochte hier alle Register ihres enormen Könnens zu ziehen. Mit kantablem Schmelz und süßer Kantilene zeichnete sie die dramatische Geschichte um Carmen nach, konnte
die musikalischen Szenen der Oper lebendig werden lassen und entledigte sich aller technischen Schwierigkeiten mit lässiger Bravour. Peter Winhardt, der glänzende Pianist des Abends, der gerade noch in Brahms’ Komposition ein „Klavierkonzert“ wahrlich meisterhaft absolviert hatte, bereitete nun einen Klangteppich um Nina Boesens Spiel. Das Publikum war hingerissen. Ein Abend, der dem Zuhörer in Erinnerung bleiben wird. Man hatte den Eindruck, daß die beiden Künstler am Anfang einer aussichtsreichen Karriere stehen. Für den Förderverein bleibt zu hoffen, daß sich die Qualität dieser Konzerte herumspricht und die Zuhörerzahlen ansteigen.
SIEGFRIED H. PÖLLMANN, KRZ/Böblinger Bote 30. Juni 1992