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Presse

Alba darf sich jetzt schon freuen

By 23. April 1991Juli 23rd, 2020No Comments

Sindelfingen: Gastspiel des Kammerorchesters der Musik- und Kunstschule Böblingen in Christuskirche

Mit demselben Programm wird das Or­chester in der Partnerstadt Alba ein Gastspiel geben, als „Generalprobe“ bezeichnete Dirigent Siegfried H. Pöll- mann deshalb den Auftritt des Kam­merorchesters der Musik- und Kunst­schule Böblingen in Sindelfingen. Frei­lich präsentierten sich Orchester und Solisten in beeindruckender Form.

Alba darf sich jetzt schon auf den Böblin- ger Kulturexport freuen. Fast ausschließlich besetzt mit Schülern der Kunst- und Musik­schule, hat das Streichorchester unter dem Dirigat von Violinlehrer Pöllmann in kürzes­ter Zeit ein Niveau erreicht, das sich durch­aus mit einem Studenten- oder Lehreror­chester messen kann.

Bei der Stunde der Kirchenmusik in der Christuskirche bewies das Ensemble bereits einige Sekundärtugenden, die weit über die für Amateur-Streichorchester nicht selbst­verständliche Primärtugend der sauberen

Intonation hinausgehen. Als Begleitapparat bei Telemanns e-moll Konzert für Querflöte und Streicher wie auch bei Josef Haydns Violinkonzert Nr. 1, machte das Ensemble etwa keine Konzessionen an die Tempi, son­dern ging Allegro- und Presto-Sätze zügig an, spielte dennoch detailreich-koordiniert und präzise selbst in Trillern.

Schon fast profimäßig diszipliniert die Ausschöpfung und Einhaltung dynamischer Niveaus, wobei auch Pianopassagen noch üppige Klangsubstanz zeigten. Mit Homoge­nität glänzten die Register, in der reichhalti­gen Akustik der Christuskirche fügte sich der Gesamtklang zu einem dichten und dif­ferenzierten Gesamtkiang.

Zupackend und beherzt

•Beim einzige reinen Orchesterstück des Konzert-Spätnachmittags, Brittens belieb­ter Simple Symphony op. 4, begeisterte die zupackende und beherzte Art, die den Zu­hörer mit einem Klangvolumen verwöhnte, das manch größere Besetzungen vor Neid erblassen lassen dürfte. Im ersten Satz, dem Boisterus bouree, leistete sich das Schüler­
orchester die einzig wirklich auffälligen Un­pässlichkeiten: Die rasch durch die einzel­nen Stimmen wandernden Motive schlos­sen nicht immer nahtlos aneinander an. Kein wirklich technisches, sondern eher ein Konzentrationsproblem.

Zuvor hatte das Ensemble bereits sehr aufmerksam den Wunderknaben Angelo de Leo an der Geige bei Haydns großem Violin­konzert Nr. 1 C-Dur (Hob. VIIa:l) begleitet. Der Elfjährige brillierte bei diesem an­spruchsvollen Werk, wie es nur wenigen Er­wachsenen vergönnt ist. Ob differenzierter Vibratoeinsatz, Doppelgriffsicherheit, Porta- ti, Spannungsbögen, klare Artikulation und selbst die musikalische Gewichtung – alles wirkt hier schon unglaublich vollendet. Ein wenig mehr Geduld noch in den Kadenzen und man glaubt den Ohren kaum diese Sou­veränität, wenn die Augen einem das unge­fähre Alter des Interpreten verraten.

Der exquisiten Vorzeigesolisten nicht ge­nug glänzten auch Isabella Grohmann (Querflöte) und Irene Dick (Blockflöte) mit Telemanns Doppelkonzert sowie Judith Behm (Violine) an der Seite von Siegfried H. Pöllmann bei Samartinis F-Dur Sonate.

Bernd Heiden