Skip to main content
Bisherige KonzertePresse

Mörderisches Potential

By 30. Oktober 2019Juni 18th, 2020No Comments

Das Duo Kriegbaum | Breuer

 

Schwer zu sagen, ob die A-Dur Sonate Ludwig van Beethovens, seine 9., tatsächlich die bekannteste Violinsonate überhaupt ist. Dafür gibt es schlicht zu viele Werke für die Duo-Besetzung Violine-Klavier. Gleichwohl genießt das Stück einen Sonderstatus: Viele haben von ihm gehört, auch wenn sie das Werk selbst noch nicht gehört haben. Denn die Nr. 9 ist bekannt als die Kreutzersonate. Der Name leitet sich ab vom Widmungsträger, dem Violinvirtuosen Rodolphe Kreutzer.

Die 1803 uraufgeführte Nr. 9 wiederum liefert den Titel für ein wahrscheinlich noch berühmteres Stück, die Ende der 1880er Jahre entstandene Novelle „Die Kreutzersonate“ von Lew Tolstoi. In der Erzählung bringt der Protagonist aus Eifersucht seine Ehefrau um, die am Klavier gemeinsam mit einem Geiger eben diese Nr. 9 spielt. Hat Tolstoi mit der Sonate eine Mordsgeschichte gemacht, so liefert schon die Namensfindung durch Beethoven reichlich Stoff für einen schlechten Groschenroman. Denn Beethoven widmete das Werk zuerst dem Geiger George Bridgetower, mit dem er gemeinsam die Uraufführung spielte. Beethoven soll die Widmung aber Zurückgezogen haben, weil es zwischen ihm und dem Violinisten zu Scherereien wegen eines Mädchens kam. Womit die französische kriminalistisch-psychologische Aufklärungsfaustformel „Cherchez la femme!“ – Such die Frau dahinter! – sich auch an der Kreutzersonate zu bewähren scheint, sich im vorliegenden Fall von selbst erledigt: Denn in der Aula des AEGs stecken hinter der Kreutzersonate keine Frauen, die es zu suchen galt. Sie sind an vorderster Bühnenfront. Violinistin Bettina Kriegbaum und Pianistin Anja Breuer hatten sich für ihr vom Förderverein Junge Geiger Böblingen veranstaltetes Konzert neben einer Sonate von Johann Sebastian Bach und der Duo-Sonate von Francis Poulenc das Beethoven-Stück als Hauptwerk aufs Programm gesetzt. Das Duo Kriegbaum-Breuer verdeutlicht dabei die bis heute ungebrochene, von allen Eifersuchts- und Frauenhistörchen unabhängige Popularität dieser 9. Sonate: Hier wird ein pianistisch-violinistisches Feuerwerk abgebrannt, das weniger Sonaten- als Konzertformat hat. Gegenseitiges Befeuern im Kopfsatz, der passgenau zum Schluss seinen Siedepunkt erreicht, ausgekostete Beethovenneckereien im Andante nebst vie­lem feinem Knospenkeimen und eine stürmisch dahinjagende Tarantella im Finale unterstreichen das blendende gegenseitige Verständnis der beiden Musikerinnen, die seit über einem Jahrzehnt in enger kammermusikalischer Partnerschaft miteinan­der verbunden sind, selbst wenn im Klavier in der Presto-Durchführung der Vorwärtsdrang kurz an Konsequenz einbüßt und der Sonatenauftakt mit seinem mehrstimmigen Violinsolo spüren lässt, dass Beethoven hier einen gemeingefährlichen Einstieg komponiert hat.

Fest steht: Der Widmungsträger Rodolphe Kreutzer führte die Sonate selbst nie auf, Es ist nicht ganz klar warum. Aus Andeutungen geht hervor, dass er schon Jahrzehnte vor To1stoi deren mörderisches Potential witterte, wenn auch nur spieltechnisch.

Bernd Heiden, SZ/BZ vom 30.10.2019

Duo Kriegbaum Breuer | Edward Elgar, Violin Sonata in E minor, Op.82